AG Political Epistemologies of Central and Eastern Europe (PECEE)

Die Gruppe Political Epistemologies of Central and Eastern Europe (PECEE) initiiert und bündelt Forschungen, die sich der Analyse der politischen Perspektivierung von Rationalität bzw. von erkenntnistheoretischen Kernkonzepten im mittel- und osteuropäischen Raum widmen und diese vor dem Hintergrund auch aktueller gesellschaftlicher und medialer Umbrüche diskutieren. Dabei sichtet und untersucht sie insbesondere kaum beachtete Ansätze der Wissenschaftsforschung, wie sie im 20. Jahrhundert in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa formuliert wurden. Seit 2015 hat sie zahlreiche Workshops und Tagungen durchgeführt, Themenhefte publiziert und sich immer stärker international vernetzt. 
Vor diesem Hintergrund streben wir nun den Status einer AG der GWMT an, um die wissens- bzw. wissenschaftshistorische Verankerung der Gruppe institutionell zu stärken und dem Forschungsfeld zusätzliche Sichtbarkeit zu geben. Insbesondere für Nachwuchswissenschaftler*innen könnte so die Möglichkeit geschaffen werden, nicht einfach als Osteuropahistoriker*innen wahrgenommen zu werden, die neben der politischen Geschichte u.a. auch wissenschaftsgeschichtliche Themen bearbeiten, sondern dezidiert als Wissenschaftshistoriker*innen, die auf Basis von Quellenmaterial aus Mittel- und Osteuropa arbeiten. Forschungsstrategisch könnte dies dazu beitragen, die vermeintliche Einheitlichkeit „des Ostens“ (der zudem immer noch vornehmlich mit Russland gleichgesetzt wird) aufzubrechen und differenziertere Zugangsweisen zu etablieren.

Kurz zur Entstehung und Entwicklung der Gruppe: Sie wurde als Forschungsinitiative 2015 unter dem Namen (East) European Epistemologies (EEE) von Friedrich Cain (Uni Wien), Bernhard Kleeberg (Uni Erfurt) und Jan Surman (Masaryk Institut und Archiv der Tschechischen Akademie der Wissenschaften Prag) in Konstanz begründet und in Erfurt ausgebaut. Anfang 2017 stieg Dietlind Hüchtker (Uni Wien, damals GWZO Leipzig) in die Planungsgruppe mit ein, ein weiteres Jahr später Karin Reichenbach (GWZO Leipzig), jüngst (2022) Aleksei Lokhmatov (Uni Erfurt) und Katrin Steffen (Uni Sussex). Neben den genannten Kerninstitutionen konnten wir für Tagungen und Drittmittelanträge eine Reihe von nationalen und internationalen Partnern aus der Soziologie, den Geschichts-, Kultur- und Politikwissenschaften mit an Bord holen (u.a. die Universität Gießen, die LMU München, das Poletayev Institute for Theoretical and Historical Studies in the Humanities der Higher School of Economics in Moskau, die Polnische Akademie der Wissenschaften, die Universitäten Warschau und Poznań, die CEU Budapest/Wien). 

Die Gruppe hat bisher sieben weitgehend drittmittelfinanzierte internationale Workshops bzw. Tagungen und zwei Nachwuchsworkshops organisiert, von einem ersten Sondierungsworkshop im Dezember 2016 und einem einführenden Lektüreworkshop zum Thema „Politische Epistemologie“ im Herbst 2017, über die Workshops „Political Epistemologies of Eastern Europe“ (Erfurt, 11/2017), „Political Epistemologies of the Soviet Union: 1917–1945–1967“ (Moskau, 6/2018), „A New Culture of Truth? On the Transformation of Political Epistemologies since the 1960s“ (Erfurt, 10/2018) und „Beyond Post-Truth: Media Landscapes in the „Age of Insecurity” (St. Petersburg, 6/2019), „Academic Authority and the Politics of Science and History in Eastern Europe” (online, 6+7/2020 und 12/2020) bis zu „Dissidents as Figures of Truth (since the 1970s)“ (online, 7/2021). 2022 wird der Workshop „Gendering Epistemologies – Gender and Situated Knowledge Perspectives from Central, Eastern and Southeastern Europe” (Prag/Liblice, 13./15. Oktober 2022) stattfinden. Zudem wurde ein Studientag zur Wissenschaftsgeschichte Osteuropas ins Leben gerufen („Pre- and Postdoc Workshop South/Eastern and Central European Histories of Science and the Humanities”), der im Oktober 2020 in Kooperation mit der Universität Wien bereits zum zweiten Mal stattgefunden hat und speziell Doktorand*innen ein Forum zur Diskussion ihrer Arbeiten bietet.

Obwohl kaum institutionalisiert, ist der bisherige wissenschaftliche Gewinn der Gruppe vorzeigbar. Zum einen hat sich über die regelmäßigen Workshops und Tagungen ein breites Forschungsnetzwerk herausgebildet, das Südost-, Mittel- und Osteuropa umspannt (u.a. Kroatien, Ungarn, Tschechien, Polen, Russland) und mit verschiedenen deutschen, westeuropäischen und amerikanischen Universitäten verbunden ist. Zu diesem gehören auch viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Zusammen mit den Publikationen scheint es uns in den letzten Jahren gelungen zu sein, mit den PECEE gewissermaßen eine „Ost-Wissenschaftsgeschichte“ als festes Themenfeld sowohl innerhalb der Wissenschaftsgeschichte wie auch als Gegenstand der Osteuropäischen Geschichte zu etablieren. Zur Vernetzung gehört auch die von Friedrich Cain zusammen mit Jan Surman u.a. etablierte und mittlerweile vielbeachtete HPS.CESEE online platform (History of Science in Central, Eastern and Southeastern Europe).

Publikationen

Neben individuellen Monographien und Aufsätzen aus dem Umfeld von PECEE (bzw. EEE) sind bisher drei Themenhefte erschienen (s.u.). Ein weiterer Band zum Thema Dissidents as Figures of Truth (since the 1970s) befindet sich in Vorbereitung.

  • Scientific Authority and the Politics of Science and History in Central, Eastern, and Southeastern Europe, special issue of Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 44/4 (2021), ed. by F. Cain, D. Huechtker, B. Kleeberg, K. Reichenbach, and J. Surman.
  • A New Culture of Truth?, special issue of Stan Rzeczy (State of Affairs) 2 (17) 2019, ed. by F. Cain, D. Huechtker, B. Kleeberg, and J. Surman.
  • Past and Present of Political Epistemologies of (Eastern) Europe, Special Section of HISTORYKA. Studia Metodologiczne 49 (2019), ed. F. Cain, D. Hüchtker, B. Kleeberg und J. Surman, 7-141.

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